Neu erschienen: Rainer Nahrendorf: Der Kormoran-Krieg – Warum die Waffen nicht schweigen; Neuss 2019

Der Autor ist nach eigenem Bekunden ein naturbegeisterter Fliegenfischer und Naturfreund, der sich bei der Auseinandersetzung um den Kormoran – von ihm als „Krieg“ bezeichnet – zwischen die verhärteten Fronten von Naturschützern und Berufs- und Hobbyfischern wagen möchte. „Wir sind auf dem Weg in eine von den sozialen Netzwerken befeuerten Empörungsgesellschaft. Bereitschaft zum Zurückstecken und Ausgleich geht verloren.“ stellt er richtigerweise heraus, ohne jedoch im folgenden selbst die Konsequenz zu ziehen und mit einer dem Problem angemessenen objektiven Berichterstattung zur Lösung des Problems beizutragen.

Nahrendorf stellt dann in seinem Buch den Kormoran als Vogel zunächst ausführlich vor. Einen großen Teil widmet er dabei der „Verfolgungsgeschichte“ des Vogels und entwickelt so das Bild und gängige Klischee einer in der Geschichte zu Unrecht vom Menschen verfolgten und bedauernswerten Art.

Ein europäisches Kormoranmanagement hält er für eine Illusion und kommt auf mögliche Maßnahmen zur Kormoranabwehr. Einerseits behauptet der Autor, die nicht letale Vergrämung sei so gut wie unwirksam, andererseits verweist er auf in den USA benutzte Knallkörper etc.  Eine letale Vergrämung kommt für ihn jedoch offenbar grundsätzlich nicht in Frage. Hier zeigt sich der Vogelfreund, der zwar den „bedrohten“ Kormoran sieht, jedoch nicht die von diesem an der Natur verursachten Schaden. So werden weiter Unterwassereinzäunungen, Überspannungen als Lösungen präsentiert.

Die Diskussion um den Kormoran erzeuge bei ihm „Betroffenheit als Fliegenfischer und Naturfreund“.  Es drängt sich beim Lesen des Buches allerdings der Eindruck auf, die Betroffenheit bezieht sich ausschließlich auf den Autor als Vogelfreund. Bereits die Bebilderung zeigt ausschließlich Vögel, gleich zwölf Kormoranbilder und einen Seeadler. Da scheint es schon bei der Gestaltung mit der Begeisterung für unsere zuweilen durchaus fotogenen Fische nicht weit her zu sein. Es drängt sich schon von daher der Verdacht auf, es handle sich durchaus um ein Buch pro Kormoran. Auch die ständige Erwähnung des NABU und seiner Positionen zum Vogelschutz unterstützt die Vermutung, dass es mit der Neutralität des Autors nicht gut bestellt ist.

Wer im Text also die Position eines Fliegenfischers oder gar anderen Anglers, Fischers oder Fischzüchters sucht, wird enttäuscht. Es finden sich im Buch leider keine oder kaum nennenswerte Stellen, in denen einmal näher auf die Fischfauna und deren Schädigung durch die Kormorane – also auf des Grundproblem – eingegangen wird. Dabei müsste der Autor als ehemaliger Pächter eines Salmonidenflusses doch einschlägige Erfahrungen damit haben. Er belässt es mit dem Hinweis, dort sei nur mit Schonhaken gefischt worden, eine Bemerkung, die erfahrenen Fliegenfischern wohl eher ein mildes Lächeln auf die Lippen zwingt.

Es wird so konsequent versäumt, die wirklich Betroffenen „mit ins Boot zu holen“, was doch eigentlich als Hauptanliegen des Buches angepriesen wird. Bereits auf Seite 11 findet man letztlich den roten Faden für das Buch, indem Nahrendorf formuliert:
„Abschüsse sollten Ultima Ratio sein und auf Fälle begrenzt bleiben, in denen ein großer wirtschaftlicher Schaden zweifelsfrei nachgewiesen wird oder der Bestand einer Art in einem Gewässer nachweisbar bedroht ist.“

An der aktuellen Diskussion beteiligte Fischschützer könnten das Buch an dieser Stelle bereits weglegen, denn das ist eine seit Jahren bekannte Position von Gegnern eines wirksamen Kormoranmanagements. Leider hakt die Auseinandersetzung bereits da, wo es um Ignorieren und Leugnung der zweifelfrei wissenschaftlich nachgewiesenen Schäden für die Ökosysteme geht. Zu dieser Diskussion findet man im folgende Text vergeblich nähere Diskussionhilfen.

In ca. 20 Seiten Anhang wird eine Menge an Verweisen geliefert. Das mag auf den ersten Blick als Informationsservice dienen, allerdings wirken die Quellen etwas beliebig, denn wichtige Information über erhebliche durch Wissenschaftler nachgewiesene Kormoranschäden wie z. B. durch Jepsen fehlen. Es finden sich auch keine Verweise auf Webseiten von Kormorankritikern wie die ARGE Nister oder Verein gegen den Kormoran u. v. a. Dafür gibt es auf der letzten Seite der Quellen bezeichnenderweise einen link auf ein Positionspapier des NABU zum naturschonenden Ausbau der Windenergie …

Der Autor ist fatal der Strategie des ideologischen Naturschutzes aufgesessen:

Er fällt auf die bereits seit Jahren stereotyp vorgetragenen krassen und plumpen Unwahrheiten herein, etwa „es fehlen wissenschaftliche Nachweise über die Schwere der Schäden“, „Kormorane ernähren sich überwiegend von kleinwüchsige Fischarten“, „Strukturverbesserungen der Gewässer helfen gegen Kormoranprädation“. Man gewinnt auch den Eindruck, dass er selbst die Dramatik der Fraßschäden an unseren Gewässern nicht verstanden hat.

Das ist sehr, sehr traurig und stützt die Verwunderung, die man bereits im Vorwort erfährt, wenn man liest, dass Nahrendorf sich nicht als „Wahrheitsfanatiker“ sehe (Vorwort, erste Seite), andererseits aber Politikern Mut machen möchte, bei der Wahrheit zu bleiben (??).

Die Recherchen unseres Vereins und die nach bestem Wissen und Gewissen und ohne Konzilianz kompilierten Analysen der Mechanismen und Zusammenhänge zur Kormoran-Diskussion auf unseren Webseiten finden in dem Büchlein leider keine Erwähnungen.

Dies ist bequem, gut nachvollziehbar und voll im gut-bürgerlichen aktuellen „Schützertrend“, wenn man viele Leser und Käufer erreichen will.

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Dr. Stefan Weigelt

Dr.-Ing. Franz Josef Lohmar