Die allseits angestrebte Fischzönose unserer Fließgewässer

Es ist eigentlich erfreulich und bemerkenswert: Das Ziel unseres Vereins, ungestörte, „normale“ Fischpopulationen in unseren Gewässern zu haben, ist vielerorts von ausgewiesenen Experten in Fachgremien bestens diskutiert und definiert worden: Die Fischfauna ist nämlich eine der Qualitätskriterien, anhand derer der ökologische Zustand von Fließgewässern gemäß der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) bewertet wird.

Seit Jahren gibt es dazu eine umfassende Dokumentation, vor allem das länderübergreifend akzeptierte fiBS (fischbasierte Bewertungssystem). Dieses Material wurde hier herangezogen, um unsere Vorstellung von einer intakten Fischfauna in unseren Gewässern zu beschreiben (siehe Literaturhinweise unten).

Das Paradoxe ist, dass man trotz Abermillionen an Aufwendungen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinien in Form von Kläranlagen, Renaturierungen, Beseitigung von Wehren, Uferrandstreifen etc. diesem gesteckten Ziel um nichts näher kommt. Dennoch bleibt der unübersehbare Wirkfaktor Kormoranprädation überall, systematisch und immer außer Betracht. Auch die Wasserwirtschaftler sind dem Bann des ideologisch gesteuerten »Naturschutzes« offensichtlich zu 100% ausgesetzt – und setzen sich nicht zur Wehr!

Hier nun diese Ideal-Vorstellungen von Fischlebensgemeinschaften unserer Mittelgebirgsflüssen – für uns sehr bald Realität nach Lösung des Kormoran-Problems:

Die übliche Unterscheidung des Fließgewässers in Forellen-, Äschen und Barbenregion besagt schon an sich, welche Fischarten die jeweilige Leitart dort ist. Diese heimischen (autochthonen) Arten sollten ein gut Teil, sagen wir 10% bis 15% der lokalen Fischmasse ausmachen. Zudem sollte ein gesunder Mix anderer gewässertypischer Arten (Begleitarten) auftreten. Ein ganz wichtiges Kriterium für uns ist zudem der Altersaufbau bzw. die Verteilung der Körperlängen der vorhandenen Fische: Finden sich nur Jungfische und ein paar Greise einer gewässertypischen Art, so ist das völlig gestört und alles andere als „natürlich“.

Beispiele: links synthetisch, rechts eine Statistik gemäß Abb. 20 des Berichtes aus Thüringen 2017

Augenwischerei durch Besatzmaßnahmen, sei es aus fischereilichen Gründen oder für den Artenschutz, dulden wir nicht: Viele dieser Maßnahmen sind unverzichtbar und zu begrüßen, sollten unser Leitbild von einer gesunden Fischfauna aber nicht bestimmen; sie müssen gesondert verbucht werden. Gerne schauen wir daher für unser Leitbild auf die Fischarten, die weder durch Besatz noch durch fischereiliche Entnahme entscheidend beeinflusst werden und zudem auf eigener Reproduktion beruhen.

Populationen von kleinwüchsigen autochthonen Fischarten (Elritze, Schmerle, Groppe, Mühlkoppe, etc.) sind gerne gesehen, sollten aber natürlicherweise nicht mehr als etwa 10% der lokalen Fischmasse ausmachen. Auch hier beobachtet man derzeit bei Elektrobefischungen Kormoran-bedingt ganz oft krasse Schieflagen, teils gar mehr als 50%. Diese Fischelchen spielen im Beutespektrum des Vogels nämlich nur zur Not, wenn alles andere in seinem beachtlichen „Fraßradius“ weggefressen ist, eine Rolle.

Heute wird oftmals festgestellt, dass die Fischzönose in Ortslagen signifikant besser sind als in der freien Landschaft: Dieser bizarre „Kormoran-Nebeneffekt“ wird nach unserer Vorstellung definitiv der Vergangenheit angehören. Wir nehmen gerne die Wupper mitten in Wuppertal, kilometerlang geschützt gegen Einflüge durch das Gestell der Schwebebahn wenige Meter über dem Fluss, als Paradebeispiel: Diese Fischmasse, dieser Artenreichtum, die Altersstruktur sind die Norm und müssten überall anzutreffen sein.

Derzeit liegt man regelmäßig bei einer Fischmasse unserer Flüsse von etwa 20kg pro Hektar Wasserfläche – einschl. des Kleinfischanteils. Für die WRRL-Leitbilder und auch uns Praktiker sind jedoch Fischmassen in der Größenordnung von 200kg auf ein ha Wasserfläche in allen Gewässerregionen als normal anzusehen, weniger in der oberen Forellenregion und teilweise deutlich mehr, je nach lokalen Gegebenheiten und Nahrungsangebot, auch bis zu 400kg/ha! An Sommerabenden kann sich dann selbst der Laie wieder über Oberflächenaktivitäten erfreuen, wenn unsere Fische es sich beim Insektenschlupf schmecken lassen. Das sieht man seit mehr als zwei Dekaden fast nirgends. Ob man ohne Kormoran-Joch auch wieder den Zustand erleben wird, wo Fliegenfischer früher von „kochendem Wasser“ sprachen? Überall auf etwa 3x3m2 Wasserfläche mindestens einen Ring – und das alle 20 Sekunden. Und, einfach gesagt: Jedermann, jedes Kind sieht bei sichtigem Wasser von jeder Brücke aus wieder Fische, ganz, ganz anders als heute. Der ideologisch gesteuerte »Naturschutz« wird beschämt und bestürzt wegschauen… endlich.

      

Wir erwarten auch, dass der Aal, der nicht nur ein Kormoranproblem hat, in allen Gewässerregionen erheblich zunehmen wird und dort überdies wieder eine Lebenserwartung von hinreichend vielen Jahren bis zum Abwandern aus dem Süßwasser hat.

Den wandernden Rheinlachs lassen wir beim Skizzieren unseres „Fischparadieses“ außen vor: Ihn betrifft die Kormoranprädation als Parr noch nicht, umso mehr jedoch als Smolt auf seiner gesamten Wanderroute abwärts vom Laichbach bis in die Nordsee und zwar mit enormen Verlustraten. Wir haben die besondere Thematik Rheinlachs ./. Kormoran an anderer Stelle niedergeschrieben.

Fazit:

Nach unserer festen Überzeugung werden für die allermeisten Fließgewässer schon nach wenigen Jahren „normale“ Fischpopulationen gemäß unserer – und nicht nur unserer – Ideal-Vorstellungen erreicht sein, sobald der entscheidende Wirkfaktor Kormoran endlich einreguliert ist. Gleichzeitig wäre der Nachweis erbracht, dass andere Faktoren (Schad-, Nährstoffe, Gewässerstruktur, anthropogene Gewässerveränderungen, andere Prädation) zumeist deutlichst nachrangigere Rollen spielen.

Würden übrigens die in Nordrhein-Westfalen aktuell vorgesehenen „Referenzstrecken“ zur Validierung der bestehenden Kormoran-VO auch nur wenige Jahre zu 100% vor Kormoranfraß geschützt, wie es fachlich ohnedies zwingend zu fordern ist, wäre die hier beschriebene angestrebte Fischzönose dort sehr bald erkennbar, ganz gewiss.

Abschließend sei hier zudem daran erinnert, dass durch das Fehlen der Fische auch andere gewichtige WRRL-Kriterien für den „ökologisch guten Zustand“ unserer Gewässer vermutlich nie zu erfüllen sein werden.

Einige Literaturhinweise:

Verband Deutscher Fischereiverwaltungsbeamter und Fischereiwissenschaftler e.V. (2009): Handbuch zu fiBS (fischbasierte Bewertungssystem), 2. Auflage

Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (2004): MITTEILUNGEN ZUM GEWÄSSERSCHUTZ NR. 44; Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fließgewässer Fische Stufe F (flächendeckend)

https://gewaesser-bewertung.de

SCHMUTZ S., KAUFMANN M., VOGEL B. & JUNGWIRTH M. (2000): Grundlagen zur Bewertung der fischökologischen Funktionsfähigkeit von Fließgewässern. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft; Wasserwirtschaftskataster; Wien;

Eine umfangreiche Auflistung weiterführender Literatur in gewaesser-bewertung.de