Essay eines Fliegenfischers – von Privat überlassen

Im Winter 2013 an der Diemel

Winterzeit – Äschenzeit. Was für eine Gleichung. Wer nie an einem winterlichen Fluss bei strahlender Sonne oder bei dichtem Schneetreiben mit der Nymphe, ja sogar mit der Trockenfliege, Äschen gefangen hat, dem ist ein großer Teil der Faszination des Fliegenfischens bislang entgangen.

Am Dienstag, dem 19. Februar, endlich wieder an der Diemel. Noch sind die Äschen auf. So steht es ja auf dem Zettel in den Papieren. Dazu traumhafte Bedingungen: Mittagszeit, alles weiß, um den Gefrierpunkt, leichter, märchenhafter Schneefall. Der Fluss selbst höchst einladend: Klar wie nach einer Läuterung, bester Wasserstand. Absolute Stille. Kein Mensch weit und breit. Kein einziger Tierlaut. Nur leichtes Wassergeplätscher. Das ganze Paradies für den Fischer allein.

Nur Eines fehlte, früher immer vorhanden: Die Zuversicht, dass sie wirklich da sind und an manchen Stellen zuverlässigste Präsenz zeigen. Die Gründe kennen wir. Aber die Hauptsache ist, erst einmal wieder am Fluss zu sein, und ein Fünkchen Hoffnung hat immer in der Fliegenbox Platz.

Ich fang an in der Kurve oberhalb der Grillhütte, früher ein Garant für Winteräschen, die nur darauf warteten. Trotz zahlreicher Würfe kein Zupfer, kein Biss, trotz neu gebundener, seit Menschengedenken erfolgreicher Nymphe. Macht nichts. Trotzdem schön. Denn vor den Augen tauchen sie alle wieder auf, die stattlichen Äschen, die ich vor zwanzig, dreißig Jahren, genau hier unter der Wintersonne, mit der Nymphe, sogar mit der Trockenfliege überlistet hatte.

Ich verlasse den Platz und mache weiter flussab unterhalb der kleinen Brücke. Hier lebendiges, knietiefes Wasser. Wenn es in der Diemel überhaupt noch Äschen gibt, dann doch hier. Aber auch an dieser Stelle trotz altbewährter Winternymphe nichts. Etwas weiter flussab, wo das Wasser ruhiger wird, Musterwechsel: Ebenfalls eine am Vorabend frisch gebundene, mit Goldkopf und knallrotem Körper versehene Nymphe, noch nie ausprobiert, jedoch im Wasser kaum zu übersehen. Nochmals keimt Hoffnung auf, wenigstens eine von den Eingesetzten, die ja schon öfters mit Siegfrieds Nymphen-Speiseplan Bekanntschaft gemacht hatten, zu fangen. Heiliger Petrus, nur eine, das reicht! Ein Wurf auf die gegenüberliegende Seite. Die Nymphe treibt herum und die Spannung steigt. Biss! Nein, Hänger! Doch kein Hänger? Am anderen Ende der Leine zieht wirklich ein Fisch. Er nimmt sogar Schnur. Regenbogen! Hab ich mir doch gedacht. Aber verdammt, wieso springt sie nicht? Der Fisch dreht sich und klopft. Er macht sich schwer. Dieses Fischverhalten kennst Du. Es ist zwar lange her, aber für alle Zeiten gespeichert. Blödsinn Regenbogen. Nach wenigen Minuten ist der Fisch nah. Eine große Rückenfahne ragt heraus. Was für Farben in diesem klaren Wasser! Unfassbar! Ich umfasse den Milchner, halte ihn kurz an die Rute, entferne die Nymphe und bestaune die Kreatur. Was für ein großer, schöner Fisch, 40 cm, wie sich später herausstellt. Ein Blick noch, und schon ist er mit den besten Wünschen für eine erfolgreiche Partnersuche entschwunden. War es ein Traum? Nein, denn noch immer hatte die linke Hand den Duft, den nur Äschen abgeben können. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit einem Exemplar der „lost generation“. Eine zumindest hat das schwarze Bombardement überlebt.

Ich rolle die Schnur auf und beginne erneut etwas weiter flussab. Es blieb bei diesem einen Biss. Diesen Wintertag werde ich nie vergessen.

 

Wolfgang Basista