2014

Winter 2014/2015 und Frühjahr 2015

Die Landespolitiker der Regierungsparteien ebenso wie die Vertreter der Fischerei-verbände geben sich mit dem „Äschenhilfserlass“ des Remmel-Ministeriums zufrieden: „Mehr war politisch nicht zu erreichen“ ist die stereotype Aussage, ohne auch nur im Geringsten auf die skandalöse Entstehung, die absehbare Nutzlosigkeit und die Offenlegung all dessen durch unseren Verein einzugehen.

Auf der Grundlage des Erlasses beantragen einige wenigen Initiativen im Land bei den zuständigen Unteren Landschaftsbehörden (ULB) Abschussgenehmigungen zur letalen Vergrämung. Der Ausschluss aller Naturschutzgebiete im Erlass, der die ULBs rechtlich definitiv eigentlich in keiner Weise bindet, wird zumeist eben doch als Begründung für eine Ablehnung herangezogen; ebenso die Karte mit der „Äschen-schutzkulisse“, die jeder örtlichen Erfahrung und Kenntnis widerspricht und damit fachlich schlichtweg unbrauchbar ist.

Dem FcK liegen Informationen über nur ganz wenige genehmigte Anträge zur letalen Vergrämung für Abschnitte an folgenden Flüssen vor:
– Diemel
– Lenne
– Sülz
– seit Neustem Eder

Vor allem die Initiative an der Sülz hat auf Basis der Genehmigungen des Antrags der Fischereigenossenschaft im Rheinisch-Bergischen und im Rhein-Sieg-Kreis nachweislich einen wirksamen Fischschutz von Mitte September bis Mitte Februar installieren können. Ausschlaggebend war dabei eine außerordentlich gute ehrenamtliche Unterstützung der Jägerschaft im unteren Sülztal.

Unser Vereinsmitglied Dr. Lohmar hatte hierüber mehrfach vorgetragen: Die Folien zu seinem Vortrag vom 04.02.2015 auf der Versammlung des Verbandes der Fischereigenossenschaften in Nordrhein-Westfalen (VFG) in Dortmund geben einen sehr guten Einblick in die Praxis dieser Fischschutzjagd. Die Initiative Sülz verwendet den Begriff „Fischschutzjagd“ übrigens in Anlehnung an die von Naturschützern geforderte und von Umweltminister Remmel verordnete intensive Jagd auf Reh und Hirsch in den Landesforsten zum Schutz der Wälder vor Verbiss, die amtlich als „Waldschutzjagd“ bezeichnet wird.

Interessant auch, dass an der Sülz die Mageninhalte von ein paar der erlegten Kormorane untersucht wurden, aber lesen Sie selbst.

Neben dem Bericht über die Initiative an der Sülz enthält der Vortrag zudem eine umfassende Beleuchtung der Hintergründe zu dem Kormoran-Skandal in NRW, die weitestgehend auf den Recherchen und Publikationen unseres Vereins beruht.

EINE INTERESSANTE ANMERKUNG zu diesem Vortrag: Unter den Zuhörern waren auch die umweltpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen von SPD, CDU und FDP, Vertreter anderer „Verbände des ländlichen Raumes“ und eine Reihe Fische-reibiologen, auch aus der Landesverwaltung sowie des Fischereiverbandes NRW. In der anschließenden Diskussion wurde zwar einerseits von den Angesprochenen z.T. harsche Kritik an der sehr direkten, undiplomatischen Art der Darstellungen des Ver-haltens der Fischereiverbände und der Fischereiverwaltung geübt. Andererseits gab es zu der Analyse des Kormoran-Problems keinerlei inhaltliche Widersprüche! Das fachlich sehr qualifizierte Auditorium stimmte sehr weitgehend überein mit den getroffenen Feststellungen über die Hintergründe, die katastrophale Situation der Fischpopulationen und die völlig unzureichenden rechtlichen Möglichkeiten, um zumindest die Äsche vor dem Kormoranfraßdruck zu schützen!

Nach den uns vorliegenden Informationen ist nur die letale Vergrämung an der Sülz mit einem intensiven Monitoring der Fischpopulationen, vor allem der Äsche, beglei-tet worden: Die Elektrobefischungen des Rheinischen Fischereiverbands an 10 Probestellen der Sülz am 10. und 11. März wiesen genau dort einige adulten Äschen nach, wo die Schutzkulisse von der Jägern am intensivsten etabliert worden war.

Leider musste das Team während der E-Befischung zahlreiche Kormoran Überflüge notieren: Das Abnehmen des monatelang hochwirksamen Vergrämungs-Effektes bereits drei Wochen nach Ende der Fischschutzjagd konnte nicht deutlicher belegt werden. In den folgenden Tagen wurden zunehmend auch Kormoran-Landungen auf der Sülz registriert, in einem Fall ein Schwarm von 8 Vögeln! Auch eine der Probestellen mit gutem Äschennachweis, die zugleich als Laichgebiet bekannt ist, wurde nachweislich zumindest von Einzelvögeln mehrfach angeflogen, trotz des dort parallel verlaufenden Spazierwegs.

Alle Anfragen auf einen, wie auch immer gearteten, Schutz der Sülz vor Kormoranfraß jenseits des 15. Feb. waren kategorisch abgelehnt worden. Man sollte wissen, dass In anderen Bundesländern bzw. europäischen Nachbarstaaten die Jagdzeiten deutlich länger und zudem auch ganzjährig Abschüsse von Jungvögeln zum Schutz der Fische erlaubt sind!

Ohne hier einer offiziellen Bewertung der Fischschutzjagd und des Monitorings an der Sülz vorgreifen zu wollen, ist bereits heute festzuhalten:
• Wenn die Jägerschaft mitzieht, kann das Abschießen schon weniger Vögel einen wirksamen Fischschutz realisieren. Durch die so erzwungene größere Fluchtdistanz bleiben dort indirekt zudem von Menschen regelmäßig belaufene Flussabschnitte (Spazierwege, Hundewiesen, etc.) bestens geschützt.
• Die Vergrämungswirkung verliert sich schon nach wenigen Wochen, selbst in einem Winter ohne harten Frost und ohne plötzliche Einfälle umherstreifender Schwärme von Wintergästen aus dem Norden Europas.
• Der vorliegende Erlass verbessert wegen Fehlens jeglichen Schutzes vom 16. Feb. bis 15. Sept. die Situation nur marginal, selbst dort, wo er den Winter über intensiv angewendet wird. Das war zwar vorher abzusehen und von allen Praktikern vorhergesagt worden, ist jetzt aber im Falle der Sülz auch unbestreitbar belegt.
• Die Fraßschäden betreffen nicht nur die Äschen (s. Vortrag: Die Mageninhalte) und sind immens, wenn man alleine die Zahl der ab Mitte März zufällig re-gistrierter Kormoran-Einflüge mit dem täglichen Bedarf von 400 bis 500g Fischmasse ansetzt. Artenschutz und Biodiversität der Fische in der Sülz nehmen durch den Kormoran schwersten Schaden – im Ausmaß nur vergleichbar mit Fischsterben der 1960er und 1970er-Jahre, die aber nie die gesamte Sülz betrafen. Wie sehen dann wohl die Überlebenschancen der Parrs vor dem Smoltifizieren, der ausgesetzten Aale sowie des genossenschaftlichen Besatzes mit Bachforellen aus? Alles Kormoranfutter und das sieht an allen anderen Gewässern der Äschenregion in NRW keineswegs anders aus!

 

Sommer 2014

Einigen Mitgliedern unsers Vereins war bereits seit längerem suspekt, dass die Kormoranproblematik bei allen Maßnahmen zu den Wasserrahmenrichtlinien (WRRL) stets ausgeblendet wurde. Inzwischen ist offensichtlich, dass der amtliche Naturschutz auch hier systematisch leugnet, verschleiert und herunterspielt! Den zuständigen Wasserverbänden ist seit Jahren bewusst, dass das Fehlen ganzer Fischpopulationen eine erhebliche Systemstörung der Gewässer darstellt. Sowohl die fehlende Präsenz der Fische als Gütekriterium an sich als auch indirekte Effekte sind hinlänglich bekannt und aktenkundig. Alleine der Grund des Fehlens der Fische nicht!

Der FcK schreibt daher die Wasserverbände in NRW an , um auf diese Zusammenhänge hinzuweisen und das Agieren des amtlichen Naturschutzes in der Kormoran-Frage auch in diesen Kreisen bekannt zu machen. Kormoran-Fraßdruck und WRRL: Schon für sich genommen ein handfester Skandal mit immensen finanziellen Auswirkungen!

 

Frühjahr 2014

Mit Blick auf die jetzt im Frühjahr bevorstehende Abwanderung der Junglachse, Fachausdruck Smolts, Richtung Nordsee, zu fordert der FcK die Programmverantwortlichen auf , längst überfällige, erste konkrete Schutzmaßnahmen der Smolts auf dem Weg zu bringen: Es gibt Möglichkeiten, hier auch ohne den Abschuss von Kormoranen kurzfristig eine signifikante Linderung zu schaffen. Seit Bestehen der diversen Wanderfisch-Initiativen, also seit etwa zwei Jahrzehnten, war bis heute weder eine konkrete Abschätzungen der Abwanderverluste erfolgt noch einer der international längst bekannten, unstreitig wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen worden! Im Gegenteil wurden Ansätze, sobald sich die katastrophalen Ergebnisse und ihre Ursachen in der Kormoranprädation offenbarten, sofort eingestellt!

Mitte März 2014 ist es endlich so weit: Der Umweltminister Johannes Remmel selbst informiert die Politiker des Umweltausschusses über die Ergebnisse dreijähriger Arbeiten der ministeriellen AG Kormoran und die daraus abgeleiteten, vorgesehenen Maßnahmen! Immer wieder hatten amtliche Stellen Fischschutzmaßnahmen mit Blick auf diesen Schritt zurückgestellt und um Artenschutz bemühte Fischschützer vertröstet. Über ein Web-Portal des Landtages ist das umfangreiche Material (etwa 210 Seiten und 20 Megabyte!) auch der Öffentlichkeit zugänglich.

Die um den Fischschutz besorgte Gemeinschaft ist entsetzt: Der Kormoran-Skandal in NRW wird auf durchsichtige, man muss wohl sagen, dreisteste Art fortgesetzt, nein, auf die Spitze getrieben! Aber langsam: Bevor Sie sich von diesem vermeintliche seriösen, wissenschaftlichen Werk blenden lassen, empfehlen wir Ihnen, unsere sofort gefertigte Stellungnahme, ein Hilferuf, gerichtet an die Ministerpräsidentin persönlich. Auch dieses Schreiben ist leider vierseitig und gefüllt mit Fachbegriffen, aber es geht nicht anders, wenn wir das Geflecht aus scheinbar wissenschaftlichen aber falschen Tatsachenbehauptungen, irreführenden Scheinaktivitäten und vom Kernproblem wegführenden Nebenschauplätzen zerreißen wollen.

Aus ersten Reaktionen konnten wir bereits feststellen, dass das Schreiben an die Ministerpräsidentin mit den wiederum wichtigen Enthüllungen von Tatsachen wohl genau gelesen wird, allerdings nicht allerorts willkommen ist. Insbesondere Äußerungen aus Kreisen der großen Regierungspartei, der SPD, ließen sogleich befürchten, dass man so viele unangenehme Tatsachen über das unredliche Agieren des kleinen Koalitionspartners lieber nicht zur Kenntnis nehmen will!

Ohne Zögern macht das Ministerium auf dem eingeschlagenen, unredlichen Weg weiter: Mit Datum vom 9. Mai 2014 erscheint der „Erlass zum Schutz der heimischen Äschenbestände und zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden durch den Kormoran . Vielleicht wird dieser „Äschenhilfserlass“ am treffendsten bewertet durch die folgende spontan und emotional geschriebene E-Mail eines unserer Vereinsmitglieder, der die Geschehnisse auch genau beobachtet, an einen Vertreter der Fischereiverbände (hier anonymisiert wiedergegeben):

Betr: RE: Erlass zum Schutz der heimischen Äschenbestände und …
Datum: Wed, 18 Jun 2014 12:00:00 +0200
Hallo Herr …,
Sie, alle Insider und vor allem auch das Ministerium selbst, wissen sehr genau, dass dieser Erlass eine absolute Katastrophe ist. Er hat eine nach außen wirkende Alibi-Funktion und wird helfen, den Skandal und die fatale Situation vieler Gewässer weiterhin zu verschleiern und zu zementieren.
Er ist auf dreisteste Art zustande gekommen, rechtlich und fachlich in vielerlei Hinsicht grob falsch, eigentlich ein Offenbarungseid. „Fischschutz von Amts wegen“ ist nicht zu erkennen, die Fisch-Schützer müssen bei den Jägern betteln gehen – unglaublich, skandalös und unverantwortlich.
Wir werden an unserem Gewässer dennoch versuchen, das Beste daraus zu machen, Aufwand und Mühen nicht scheuen (wenn man uns denn lässt). Jedoch wird alleine die Problematik der Sommervögel alle Mühe ad absurdum führen. Ein Monitoring per E-Befischung wird sodann zeigen, dass der Abschuss der Kormorane keine Abhilfe geschaffen hat.
Was sind das eigentlich für Menschen/Entscheider/Wissenschaftler/Naturschützer?
Mit traurigen Grüßen

Hier sollen nur ein paar der sachlichen, folgeschweren Fehler dieses Erlasses aufgelistet werden. Die meisten und schlimmsten Aspekte werden dem Leser, der unsere Enthüllungen (auf dieser Seite inkl. der unterlegten Downloads) genau verfolgt und nachvollzieht, bereits wohl bekannt sein. Es wird schließlich systematisch und vorsätzlich gehandelt.

– Beschränkung auf die Äsche: Es ist schlichtweg falsch, dass die zitierte ministerielle AG Kormoran den Auftrag hatte, sich allein mit Fraßschäden bei der Äsche zu beschäftigen. Inhaltlich ist es ohnedies falsch und mit Blick auf Steuergelder z.B. für Lachs und Aal skandalös.
– Die Mär von Gewässerstrukturverbesserungen als Schutz vor Kormoranen: Unbeirrt wird dieses folgenschwere, steuergeldvernichtende Alibi als Lösung für das Problems angepriesen, obwohl längst widerlegt und schlichtweg falsch.
– Die amtlich festgelegte Äschenschutzkulisse in der Kartendarstellung des Erlasses: Man hätte sogleich auch einen Zufallsgenerator mit dem Verteilen der Farben beauftragen können. Befragen Sie einmal Angler vor Ort zu den guten Äschenbeständen an Rur, Wupper oder Dhünn. Zugegeben, unter der berühmten Schwebebahn mitten im Stadtgebiet Wuppertal, wo kein Vogel hin mag, …
– Herausnahme der Naturschutz- oder FFH-Gebiete aus der Vergrämung: Diese leicht als Verbot zu interpretierende explizite Betonung hat in einem Erlass nichts zu suchen, ist unwirksam. Diesbezügliche mündliche Anfragen an das Ministerium wurden nach unserem Kenntnisstand mit „das war doch nicht so gemeint“ beantwortet. Eine schriftliche Stellungnahme liegt noch nicht vor. Wir sind gespannt auf die praktische Umsetzung.
– Verweigerung der Anerkennung fischereiwirtschaftlicher Schäden: „Freizeitaktivitäten in Form von hobbymäßig betriebener Fischerei (z.B. Sportfischerei) können keine Ausnahme begründen“. Punkt – Basta. Bitte bedenken Sie einmal genau die Tragweite dessen, was da geschrieben steht: Ein Verlust, der in Mittelgebirgsflüssen oft einer Vernichtung ganzer Fischpopulationen entspricht, ist schlichtweg hinzunehmen! Wirtschaftliche, soziale Aspekte des Angelfischens, die gesetzliche Hegepflicht, das per Grundgesetz verbriefte Fischereirecht des Grundeigentümers werden hier einfach abgeheftet, ausgehebelt. Hier ist u.E. zu überlegen, ob Fischereigenossenschaften nicht Entschädigungen einklagen und zugleich Verfassungsbeschwerde einlegen müssten. Die Selbstherrlichkeit des vogelschutzdominierten Naturschutzes glaubt sich offensichtlich im rechtsfreien Raum und kennt daher keine Grenzen mehr.

Es muss hier in aller Deutlichkeit daran erinnert werden, dass die Fischereiverbände des Landes weder den vermeintlichen Abschlussbericht der ministeriellen AG Kormoran noch diesen „Äschenhilfserlass“ mitgetragen hatten. Im Gegenteil: Mit Schreiben vom 1. Aug. 2013, also nach der letzten Sitzung dieser AG, hatten die Verbände ihre Position gemeinsam klargestellt, so deutlich wie nie zuvor! Da dieses Schreiben ohnedies breit gestreut wurde, stellen wir hier eine Kopie zum Download bereit. Leider ist aktuell keinerlei Initiative der Verbände zu erkennen, den Abgrund zwischen der fachgerechten, eigenen Position und diesem „Äschenhilfserlass“ aufzuzeigen und anzuklagen.